Weltbürgerbericht Iva Schottland-Fortsetzung

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Mein Austauschjahr in Schottland

(Fortsetzung)

 

 

   Während der nächsten Tage lernte ich die Familie ein wenig besser kennen. Alle waren wirklich sehr nett, genauso wie das Neugeborene der älteren Gastschwester, das wirklich leise war und deren Haustiere die total niedlich waren. Alle waren sehr nett, außer der jüngeren Gastschwester und ihrer Freundin,.. denn die bekam ich nie zu Gesicht, abgesehen von den Zeiten natürlich, wo sie das Badezimmer besetzten. Außerdem schienen sie eine Art Routine zu haben, bei der die jüngere Schwester am Abend kurz ins Wohnzimmer platzte, ihrer Mutter zubrüllte, sie und ihre Freundin würden jetzt ausgehen und dann verschwand. Daraufhin rief die Mutter zurück, wo sie denn hingingen, doch sie würde nicht antworten, sondern einfach hinaus stürmen und die Haustür hinter sich zuknallen. Die Mutter würde aufstehen, ihr hinterher rennen und wir würden hören, wie sie ihrer Tochter auf der Straße zubrüllt, so das bestimmt die gesamte Nachbarschaft es hören konnte, sie solle gefälligst antworten, und wie die Tochter daraufhin mit einem ziemlich miesen Wort antwortet.

   Überhaupt schienen die jüngere Tochter und meine Gastmutter sich ständig zu streiten. Meiner Meinung nach war die Tochter einfach nur verwöhnt.. An einem Abend war es besonders schlimm. Sie schriehen sich gegenseitig an, so das die Wände wackelten und es endete damit, das die Tochter ihre Mutter ohrfeigte. Woraufhin die Tochter hinausgeworfen wurde. Ich stand unter Schock. Klar streiten wir in meiner Familie auch ab und zu, aber das war ja nicht zu vergleichen mit dem was hier abging. Die zweite Austauschschülerin aus Brasilien schien das alles nicht so schlimm zu finden. Sie meinte sie streitet auch ständig mit ihrer Mutter, und das wird alles schon wieder. Als ob das nicht schon schlimm genug wäre, kam dann die Mutter in unserer Zimmer, setzte sich auf mein Bett und fing an zu weinen.. eine erwachsene Frau.. auf meinem Bett.. weint? Und ich kannte sie ja erst seit wenigen Tagen. Selbstverständlich versuchte ich sie ein wenig zu trösten, doch ob es wirklich von Hilfe war, weiß ich nicht. Aber es ist ja auch nicht meine Aufgabe meine Gastmutter zu trösten, oder?!

   Als ich meinen Eltern von diesen und ähnlichen Geschehnissen erzählte, waren sie gar nicht glücklich, obwohl ich versuchte alles nicht so schlimm klingen zu lassen, denn ich wollte nicht dass sie sich unnötige Sorgen machten. Das war das erste Mal dass mein Vater mir vorschlug die Gastfamilie zu wechseln. Ich war mir nicht sicher.. Ich meine ja, sie hatten keinen einzigen Stuhl und Tisch, ich wusste nicht wo ich meine Hausaufgaben machen würde und es war ziemlich unordentlich und wir hatten nur ein Badezimmer auf acht Personen (denn die Tochter kam nach dem Streit, noch am gleichen Abend wieder)Heim und ja die Katzen schliefen ständig auf meinem Bett und ja dass sind ziemlich viele "und's". Aber war ich wirklich bereit die Familie zu wechseln? Wie würde ich es der jetztigen Familie sagen? 'Ja, 'tschuldigung, Sie sind wirklich sehr nett, aber ich kann nicht mit Ihnen leben.'?! Und was wenn die nächste Gastfamilie nur noch schlimmer wäre? Meine Eltern meinten aber auch, dass Falls ich wechseln wollte, ich das so bald wie möglich tun sollte, bevor ich mich einlebte und meine Schule anfing. Ich war mir immernoch nicht sicher. Ich hätte nie gedacht dass ich eine von denen sein musste, die die Gastfamilie wechselten. Mein Vater schlug dann vor, die Organisation erst einmal anzurufen, und dann sehen welche Möglichkeiten ich denn noch hätte. Ich stimmte zu.

  Schon am nächsten Tag bekam ich dann einen Anruf von meiner Betreuerin. Sie hatte einen sehr starken Akzent und ich hatte Schwierigkeiten sie zu verstehen, aber ich erklärte ihr, wieso ich darüber nachdachte die Gastfamilie zu wechseln und ich muss sagen, sie war wirklich sehr nett und verständnissvoll. Soweit ich verstand sagte sie dann, dass sie eine passende Gastfamilie suchten und dass sie mir Bescheid geben würde, sobald sie etwas gefunden hätten. Mir war bisher nicht aufgefallen, wie sehr mich die Situation bedrückte, aber in dem Moment viel mir ein Stein vom Herzen.

   Die folgenden Tage waren sehr ungemütlich. Jedes Mal wenn meine Gastfamilie mich fragte ob es mir bei ihnen gefiele und ob ich mich schon eingelebt hätte und ich daraufhin antwortete dass alles bestens wäre und ich die Zeit genoss, fühlte ich mich schuldig und wie ein Lügner. Der Rat meiner Betreuerin und meiner Eltern war jedoch, vorerst nichts zu sagen, damit die letzten Tage in der Gastfamilie so genießbar wie nur möglich wären. Ich bin mir immernoch nicht sicher ob das die richtige Entscheidung war. Ich schwieg aber, auch wenn ich das schreckliche Gefühl hatte das sie es herausfinden würden. Es gab häufig seltsame Momente in denen ich mir sicher war, dass sie es durchsehen würden. Zum Beispiel als sie Hausschlüssel für mich und die zweite Austauschschülerin machen lassen wollten. Ich sagte ihnen das wäre nicht nötig. Mit der Frage 'Wieso nicht?' hatte ich nicht gerechnet. Und ich musste mir irgendwelche Ausreden einfallen lassen, wieso nicht.

   Glücklicherweise kam schon nach wenigen Tagen die Meldung, dass meine Austauschorganisation eine andere Familie gefunden hatte. Sie wohnten gar nicht mal so weit weg, und ich würde immernoch in die gleiche Schule gehen können, wie geplant. Ich war glücklicher denn je. Ich hatte keine Ahnung wer diese Menschen waren, zu denen ich ziehen würde und was sie machten. Aber ich war glücklich. Sie hatten einen achtzehn jährigen Sohn und eine vierzehn jährige Tochter. Ich war also genau zwischen den beiden und ich dachte das wir ja immernoch Freunde werden konnten. Der Altersunterschied war ja nicht allzu groß. Und schon in drei Tagen sollte es dann so weit sein! Ich freute mich riesig.

   Es gab nur ein klitze kleines Problem, dass mein Glück ein wenig dämpfte. Und das war, dass meine momentane Gastfamilie noch immer von nichts wusste. Wann würde ich es ihnen sagen? Wie würde ich es ihnen sagen? Der Rat lautete, dass ich kein Wort darüber verlieren sollte, bis der Tag des Umzugs kommen sollte. Ich sagte meinem Gastvater das ich meinen Koffer brauchte, weil ich etwas darin vergessen hatte. Den der war auf dem Dachboden verstaut worden. Er schien nichts zu ahnen, und gab ihn mir. Heimlich packte ich dann ein paar meiner vielen Sachen hinein. Aber richtig viel ging auch nicht, denn sie könnten ja Verdacht schöpfen. In diesen letzten Tagen wurde ich seltsam schreckhaft und paranoid. Sobald jemand etwas sagte, dachte ich 'Er weiß es!' oder 'Sie hat die Sachen in meinem Koffer gefunden!' und meine Angst vor dem Unausweichbaren wuchs und wuchs. Der 'letzte' Tag brach an, und ich war tatsächlich in der Dusche als meine Betreuerin die Gastfamilie anrief und ihnen alles erklärte. Als ich dann herunter kam, nichts ahnend, wartete meine Gastmutter am Fuß der Treppe schon auf mich, mit verschränkten Armen und grimmigen Blick. Und dieses eine Mal, war meine Befürchtung richtig. 'Du willst uns verlassen?' waren ihre ersten Worte. Ich konnte mich nicht bewegen. Wie gelehmt starrte ich sie nur an. Man konnte ihr ansehen, wie wütend sie war. Aber ich konnte es nicht mehr aushalten, und in dem Moment fingen mir die Tränen über die Wangen zu kullern. Es war einfach zu viel. Im angesicht mit mir weinend, wurden die Gesichtszüge meiner Gsdtmutter ein wenig weicher, und sie umarmte mich sogar. Doch ihre Frage, wieso ich sie verlassen würde, hing in der Luft. Ich war mir nicht sicher was ich sagen sollte. Wie sollte ich einer erwachsenen Frau mitteilen, dass ihr Haus schrecklich unordentlich ist? Oder das sie bitte noch ein Badezimmer bauen sollen? Und ich erinnerte mich daran, was meine Mutter gesgt hatte. Ich solle die Schuld auf sie schieben. Ich bin nicht stolz darauf, doch ich tat es, um mich selbst zu schützen. Das schien meiner Gastmutter erst einmal Erklärung genug zu sein.

   Meiner brasilianischen Gastschwester war das jedoch nicht gut genug. Sie weinte, wie es schien für Stunden, und bettelte mich an sie nicht zu verlassen. Es war schrecklich. Ich sagte ihr, dass es mir hier nicht gefiele, und dass ich sehen muss was das Beste für mich ist. Und irgendwann beruhigte sie sich wieder.

   Ich packte den Rest meiner Sachen zusammen und meine Betreuerin kam um mich abzuholen. Der Horror war glücklicherweise schnell vorrüber. Meine Gastmutter hatte mir noch ein letztes Sandwich zum Mittagessen gemacht, mit, wie mir auffiel, extra vielen Schinkenscheiben drauf. Vielleicht um sich selbst zu beweisen, dass sie eine gute Gastmutter ist..

 

   Ich bin jetzt in meiner neuen Gastfamilie, und es ist unvergleichbar besser. Sogar die anderen Austauschschüler, die hier in der Nähe wohnen, beneiden mich um meine Gastfamilie. Ich bin sowohl mit meinem Gastbruder als auch mit meiner Gastschwester sehr gut befreundet. Es ist das erste Mal das sie Gastschüler bei sich aufnehmen und alle sind unglaublich freundlich. Ich habe mein eigenes Zimmer und ein Badezimmer, dass ich nur mit meiner Gastschwester teile. In der Schule habe ich auch Freunde gefunden. Und, na klar, Heimweh ab und zu ist selbstverständlich, aber im Grunde genommen, bin ich hier sehr glücklich und ich fühle mich endlich wohl.

Gast

Hallöchen ich bins wieder :)
ich finds wahrnsinnig toll, dass es dir jetzt so gut geht. Ich muss sagen, dass ich mit meiner Gastfamilie auch Glück hatte, die Französin hat genau die gleichen Probleme gehabt wie du und wir haben ihr zu einer neuen geholfen (sie wohnt jetzt die Straße runter), nur hat bei ihr die ganze Gastfamilie verrückt gespielt und ihr Koordinator war die bester Freundin der Mutter und somit auch nicht auf ihrer Seite, zum Ende hin waren wir dann alle froh als sie endlich wechseln konnte (der Koordinator hat ihr richtig das Leben schwer machen wollen). Vor 2 Wochen hat die Dänin ihre alte Gastfamilie verlassen, meine Gastfamilie und ich hatten da wieder die Finger im Spiel als wir eine Neue gefunden haben (die zufälligerweise eine Straße weiter wohnt :D ).
Ich find es total traurig wenn sich eine Familie entscheidet sich einen Austauschschüler aufzunehmen, sich aber dann nicht um ihn kümmert.
Ich wünsch dir weiterhin viel Spaß und genieß die Zeit - die übrigens seeeehr schnell vorrüber geht
lg Viktoria

Gast

Vielen Dank für die schönen Wünsche und mir geht es jetzt sehr gut. Es ist nicht mehr lang bis ich zurück nach hause reise und ich kann mich nicht entscheiden ob ich mich darüber freue oder nicht:D schön das bei dir und deinen Freunden jetzt alles okay ist, und ich hatte da auch ein paar Freunde die unzufrieden mit ihren Gastfamilien waren und zusätzlich dazu unsere Betreuerin auf der Seite der Gastfamilie stand. (Falls jemand dies liest der ebenfalls Probleme hat, kann ich nur empfehlen die eigenen Eltern oder jemand anderes Erwachsenes nach Hilfe und Unterstützung zu fragen, denn Erwachsene Personen werden oft eher ernst genommen). Noch viele liebe Grüße an dich Viktoria, und genieß deine Zeit:)