Mein Start in England

Reportage von
Gast

Dieser Artikel schildert meinen Anfang hier im schönen England für das Weltbürgerstipendium 2014

Weltbürgerstipendium-Erfahrungsbericht 2014: England 1

 

So, ich hatte mich nun entschieden, ein Schuljahr in England zu verbringen. Mein Ziel: Abingdon, eine Kleinstadt, etwa 10 km südlich von Oxford.

Am 31. August 2014 hieß es also ab in den Flieger und auf in das aufregende Leben als Austauschschülerin.

Nach sechsstündiger Anreise bin ich am Sonntagnachmittag bei meinen Gasteltern angekommen. Neben ihnen empfing mich ihr kleiner süßer Hund, ein Westie Terrier. Die Gasteltern sind seit kurzem allein, weil ihr letztes Kind an die Uni gegangen ist. Ein paar Wochen nach mir kam auch noch meine japanische Gastschwester hinzu. Im Haus ist also schon mal immer was los! :)

Wenn man nach Amerika oder Japan zum Schüleraustausch geht, hat man erst mal ein paar Tage, um sich an das Leben und die Zeitzone dort zu gewöhnen. In England scheinen wir das mit nur einer Stunde Zeitverschiebung nicht nötig zu haben und so hieß es: Sonntag angekommen und Montag direkt zur Schule.

Na gut, der erste Tag begann erst nachmittags und es war nur ein Einführungstag in die „Sixth Form“, die englische Oberstufe. Ich gehe in die zwölfte Klasse und belege vier Fächer: Business Studies, Media Studies, French und English Language. Das klingt jetzt zwar ziemlich entspannt, ist es aber nicht, da wir in jedem Fach zwei Lehrer haben, die jeweils zwei Stunden unterrichten und parallel anderen Stoff durchnehmen und wir somit also eigentlich doch acht Fächer haben.

Der reguläre Schultag beginnt um 8:45 Uhr mit der „Registration“, einer Art Anwesenheitskontrolle durch den Tutor. Dann hat man jeden Tag 5 Stunden Unterricht à 60 Minuten bis 15:10 Uhr. Man darf das Schulgelände nur in der Mittagspause verlasen, also nichts mit eben mal in die Stadt oder gar nach Hause. Die Schulen hier sind ziemlich streng was das angeht. In den paar Freistunden, die man hat, macht man also entweder seine Hausaufgaben oder quatscht mit seinen Mitschülern.

 

Apropos Mitschüler, wir sind zum Glück nur zwei Deutsche in meinem Jahrgang, also gibt es nicht die so oft gehörte und gefürchtete „Gruppenbildung Ausländer vs. Engländer“.

Man sollte natürlich auch auf die Leute zugehen, um Kontakt zu bekommen, aber ich habe gemerkt, dass man auch relativ oft angesprochen wird, wenn man sich einfach bei den Engländern untermischt und zum Beispiel am Tischkicker oder am Billiardtisch das Spiel verfolgt.

Der „Common Room“, so etwas wie der Sek II Raum in Deutschland, also ein Raum für die Oberstufe, ist wirklich gut ausgestattet, was man am Billiardtisch und Tischkicker schon sehen kann. Außerdem gibt es dort einen kleinen, schülerbetriebenen Laden, eine Musikanlage, aus der jede Pause laute Musik dröhnt, einen Wasserkocher und eine Mikrowelle, für die hier sehr beliebten Fertiggerichte wie Nudeln. Natürlich kann man auch frisches warmes Essen in der Cafeteria kaufen, aber das ist ja langweilig. ;)

 

Die Pausen sind sehr entspannt und es ist wirklich interessant zu sehen, wie viel Respekt einem von den jüngeren Mitschülern entgegengebracht wird, nur weil man als Oberstufenschüler keine Schuluniform mehr tragen muss.

Wenn der Unterricht dann um zehn nach drei zu Ende ist, gibt es ein enormes Angebot an AGs für die verschiedenen Altersstufen.

Meine Schule ist auf die Künste spezialisiert, es gibt demnach also viele Kunst-, Tanz-, Schauspiel- und GesangsAGs.

 

Ich kann jedem nur empfehlen, so viele AGs wie möglich auszuprobieren, weil man dabei wirklich viele Leute kennenlernt und so auch Freundschaften knüpft, da man im Unterricht sonst ja nur in Kursen sitzt und dadurch immer mit unterschiedlichen Leuten zusammen ist und keinen Klassenverband mehr hat. Da ist es gut, sich eine Gruppe Freunde entweder in der Pause oder in den AGs zu suchen, damit man in den Pausen nicht alleine herumsitzen muss. Die Engländer sind alle sehr freundlich und offen und passen nicht so recht auf das Vorurteil, dass sie in der ersten Woche reges Interesse an einem haben, weil man Ausländer ist und dann ganz viele Fragen stellen, nach dieser Woche aber alles Interesse verlieren und sich von einem abwenden. Ab und an bekomme ich zwar eine Frage über Deutschland gestellt, aber meine Mitschüler scheinen mich viel mehr als eine von ihnen zu sehen und so war der Anfang, mit Leuten ins Gespräch zu kommen zwar schwerer, aber nach zwei Wochen bin ich schon am Wochenende mit meinen Freunden nach Oxford Essen gegangen.

 

Generell ist meine Wohnlage optimal, weil ich in einem kleinen Dorf genau zwischen meiner Schule in Abingdon und Oxford wohne. Mit dem Bus brauche ich morgens 15-20 Minuten zur Schule und nach Oxford sind es von meiner Gastfamilie aus auch nur 20 Minuten mit dem Bus.

Oxford ist eine tolle Stadt und ich kann sie jedem nur empfehlen zu besuchen. Die Universitäten und alten Gebäude sind auf jeden Fall einen Besuch wert!

In Oxford selbst kommt man zu Fuß gut herum und es gibt viele tolle Einkaufsmöglichkeiten.

Abgesehen von vielen Kleidungsgeschäften wie H&M, Jack Wills und Topshop gibt es auch einen Tesco Metro und Poundland.

Diese beiden Geschäfte sind essentiell für Austauschschüler, weil man bei ihnen alles bekommt, was man für das „tägliche Überlegen“ benötigt.

Tesco Metro, Tesco Express und natürlich der riesige, originale Tesco Markt sind perfekt für alle Kleinigkeiten, die man so braucht und mehr. Im großen Tesco kann man sich für Stunden aufhalten und die Gänge nach coolen Süßigkeiten und Krams durchsuchen, den wir in Deutschland nicht haben.

Poundland ist super, um den Geldbeutel zu schonen. England ist sehr teuer und im Moment ist der Euro auch noch sehr schwach, also ist es ziemlich schwierig, die empfohlenen 250 Euro Taschengeld im Monat (noch nicht einmal 200 Pfund im Moment) einzuhalten, wenn man sich Wasser für die Schule, Taschentücher (in England ist immer irgendjemand erkältet) und natürlich Süßigkeiten kaufen muss. Poundland hat eine große Markenauswahl und es ist, wie meine Mitschüler sagen, „Das einzig Gute an Abingdon“. Ich finde, Abingdon hat noch eine Menge mehr zu bieten, aber für uns Schüler ist das wirklich der beste Ort, um sich mit Krimskrams zu versorgen.

 

Ich habe festgestellt, dass wir in der Schule ziemlich viele Hausaufgaben aufbekommen und wer hier Kunst nehmen möchte, sollte auf Massen an Arbeit gefasst sein!

Ich selbst habe auch nur sehr wenig Freizeit, weil ich irgendwie immer unterwegs bin, um irgendetwas zu besorgen, Hausaufgaben mache oder in der Schule zur Tanz AG gehe.

Obwohl die Schule zwar sehr streng auf vergessene Hausaufgaben reagiert, haben wir jede Woche auch vier Stunden „Complementary Studies“, in denen wir entweder frei haben oder wichtige Sachen für das spätere Leben lernen: Bewerbungen schreiben, sich der britischen Kultur bewusst werden oder einfach einen Vortrag über interessante Projekte vorgetragen bekommen.

Einmal in der Woche haben wir in der letzten Stunde auch eine Stunde nur unseren Tutor und nächste Woche werden wir dort einen Kochwettbewerb halten. Was sich die Schule einfallen lässt, um uns von dem harten Arbeitsalltag abzulenken, ist wirklich beeindruckend!

 

Meine Schule ist auch sehr gut mit einer Bibliothek mit den neuesten Büchern, mehreren Computerräumen und vielen Sporthallen ausgestattet, man kann also immer etwas machen und in der Mittagspause stehen Probenräume für Schauspieler und Musiker zur Verfügung.

 

Auch wenn man also so viel zu tun hat, es wird immer für einen Ausgleich gesorgt und so fällt es mir viel leichter, mich in den Schulalltag zu integrieren und ganz viele tolle Erfahrungen zu machen, wofür so ein Austauschjahr schließlich auch da ist.

 

Letztes Wochenende waren wir mit unserer Austauschschülergruppe von GLS zusammen in London und wir hatten sehr viel Spaß. Wir haben viel gesehen, gekauft, und endlich wieder richtige Brötchen gegessen! Ein Musicalbesuch bei Wicked war jedoch das absolute Highlight.

 

Meine Gastfamilie ist super nett, meine Gastmutter ist eine tolle Köchin und wir essen sehr gesund. Die Gasteltern haben schon viel Erfahrung mit Gastschülern, weil sie regelmäßig welche aufnehmen, trotzdem kümmern sie sich liebevoll um mich und sehen mich nicht als eine Art, Geld zu verdienen, an.

 

Ich kann allerdings nicht sagen, dass sich England so viel von Deutschland unterscheidet: Wir sind alle Schüler, die zur Schule gehen und die Vorurteile mit der Distanziertheit oder des schlechten Wetters stimmen überhaupt nicht. Ich hatte bis jetzt nur zwei Tage, an denen es ein paar Stunden geregnet hat, aber es soll auch der trockenste September sein, seitdem es Wetteraufzeichnungen in England gibt (Quelle: mein Gastvater), also kann ich mich über das Wetter noch nicht so genau äußern.

 

England ist eben mehr als nur „London mit seinen roten Bussen, dem Big Ben und dem London Eye, etc.“. Die Menschen hier sind so wie du und ich zu Hause, sie legen höchstens ein bisschen mehr wert auf das korrekte Anstellen: besonders an den Bushaltestellen muss man darauf achten, dass die Leute in einer Schlange auf den winzigen Bänken sitzen und das man sich dann hinten anstellt, damit man keine bösen Blicke zugeworfen bekommt.

Ich freue mich auf meine restliche Zeit hier und darauf, was ich hier noch für tolle Erfahrungen machen werde. Hier in Abingdon und Oxford gibt es so viele Freizeitaktivitäten und so viel zu entdecken, dass ich sicherlich das ganze Jahr mit dem Erkunden ausfüllen werde. Eins ist sicher: Dieses Jahr wird mich an Erfahrung und Reife bereichern und ich werde viel mit meinen neu gefundenen Freunden im wunderschönen England unternehmen.

Die Street Fair in Abingdon ist die längste Europas mit über einer Meile!

Wicked ist wirklich ein tolles Musical!