6 Monate in Zhengzhou

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Meine Zeit als Austauschschülerin in China; Erfahrungen, Erlebnisse und Alltägliches.

Hallo,

ich bin Meret und ich war für 6 Monate als Austauschschülerin in China. Um genauer zu sein, in Zhengzhou, der Hauptstadt der Provinz Henan. China hat mich schon sehr lange interessiert und ein Auslandsjahr gab mir die Möglichkeit, diese mir fremde Kultur zu erleben und Neues kennnen zu lernen. Mein Alltag dort bestand aus Schule, Chinesischunterricht, Reisen, meinen Freunden und meiner Gastfamilie und sehr vielen außergewöhnlichen Erlebnissen und Erfahrungen. Und genau davon will ich euch kurz erzählen.

Als wir, drei Austauschschüler aus Deutschland, nach einer langen, komplizierten Anreise endlich in Zhengzhou ankamen, war es schon mitten in der Nacht. In Beijing hatten wir unseren Anschlussflug verpasst und kamen nun unplanmäßig spät an. Dennoch erwartete uns ein herzliches Willkommenskommando.

Der Tag nach unserer Ankunft war mein Geburtstag. Ich bekam überraschenderweise einen süßen, rosaroten und etwas zermatschten Geburtstagskuchen geschenkt.

Unser Betreuer hatte uns für unsere erste Nacht in einem Wohnheim untergebracht, um unsere Gastfamilien nicht nachts aus den Betten reißen zu müssen. Also lernten wir sie erst am Folgetag bei einem 'Welcome Dinner' kennen.

Die erste Woche in China war die Einführungswoche, uns wurde die Stadt gezeigt, wir kauften uns Fahrräder, organisierten uns Prepaid-Karten für unsere Handys, zogen bei unseren Gastfamilien ein und lernten die lokalen 'Street Markets' kennen.

Der erste Ausflug führte uns nach Kaifeng, eine benachbarten Stadt. In Kaifeng steht der "Qing Ming Park", ein historischer Themenpark, der die Song Dynasty nachempfindet. Er basiert auf einer Schriftrolle des Künstlers Zhang Zeduan.

Was mir in Kaifeng zum ersten Mal auffiel, sich aber später als typisch für chinesische Städte herausstellte, waren die vollkommen überladenen Autos, die verschiedenste Dinge transportierten.

Ich ging zusammen mit einem anderen deutschen Austauschschüler auf eine Schule. In der Einführungswoche lernte ich auch das erste Mal meine Mitschüler kennen. Sie hatten gerade Englischunterreicht, als wir vorbeikamen.

Zu Beginn eines Schuljahres müssen sich die Schüler und Studenten einem unterschiedlich langen Militärtraining unterziehen, ebenso die Studenten des "黄河科技学院", in dem wir Chinesischunterricht hatten.

Am "Huang He Science and Technology College" hatten wir Chineischunterricht, der von vier Lehrerinnen durchgeführt wurde, die uns sehr herzlich aufgenommen und mit Engelsgeduld unterrichtet haben. Insgesamt wurden wir in verschiedenen Fächern unterrichtet: Hören, Sprechen, Lesen und Schreiben.

Wir Schüler nutzten die Tafel meist, um uns künstlerisch zu betätigen und einen Countdown zu Weihnachten zu führen.

Zwei unserer Lehrerinnen, 张老师 und 李老师.Sie unterrichteten uns in Sprechen und Hören.

Das College organisierte auch Ausflüge für uns. Mit unseren Lehrerinnen und ein paar Studenten besuchten wir gemeinsam das Henan Museum, das sich mit der Geschichte und der Henan spezifischen Kultur beschäftigte.

Die High School, die wir Austauschschüler am Nachmittag besuchten, war die Zhengzhou No. 2 High School. Insgesamt 5000 Schüler gehen auf diese Schule und entsprechend groß ist auch das Schulgelände. Ziemlich beeindruckt hat mich der Sportplatz, der ein Fußballfeld, zwei Basketballplätze und eine Rennbahn umfasste. In den Pausen war dies, neben der Cafeteria, der beliebteste Ort des Schulgeländes.

Auch meine Mitschüler und ich hielten uns hier gerne auf, auch wenn wir uns nicht immer den Gruppen anschlossen, die Sport machten.

Ich hatte das Glück, in einer "International Class" Unterricht zu haben. Das hieß einfach nur, dass die Schüler mehr Englischunterricht hatten und auf dem TOEFL vorbereitet wurden. Dadurch war auch die Anzahl an Schülern in der Klasse geringer, was den Unterricht viel entspannter machte. Andere Klassen hatten bis zu 60 Schüler und in meiner Klasse waren es nur 17.

An der High School gab es keine alltäglich Uniformpflicht, allerdings mussten wir zu besonderen Events eine Uniform tragen. Eine Schülerin wurde damit beauftragt, eine Uniform auszusuchen und weigerte sich, den üblichen Trainingsanzug einzuführen. Also erhielten wir das klassische Modell, mit Jackett und Faltenrock. Tragen musste ich es auch, allerdings nur zwei Mal.

Die High School hatte unterschiedlich Events, an denen wir Austauschschüler auch teilnehmen konnten. Eins davon war der Austausch mit einer Schule für blinde und taube Jugendliche und das zweite ein "Sportmeeting", bei dem die Klassen der High School in unterschiedlichen Sportarten gegeneinander antraten. Dazu gehörten unter anderem Hochsprung, Wettrennen oder Staffellauf. Außerdem sind wir auch einmal zusammen Bücher einkaufen gegangen, die dann in den Klassenraum zum Lesen hingestellt wurden. Das ganze wurde von der Schule bezahlt, also haben sich die Schüler nicht zurückgehalten und am Ende haben wir fast 200 Bücher gekauft.

Der Buchladen war riesig und auf mehreren Etagen gab es die verschiedensten Bücher. Einige Länder hatten sogar eigene Abteilungen, wo man Wörterbücher oder Bücher in der Originalsprache bekam. Internationale Autoren waren auch vertreten, neben vielen weiteren gab es dort Schiller, Goethe, J.K. Rowling, Hemingway oder Murakami. Die Schüler kauften hauptsächlich Lehrbücher, die sie auf den TOEFL oder den IELTS vorbereiten würden. Aber es wurde auch chinesische und englische Literatur eingepackt, darunter Klassiker und Gedichtbände.

Zu meinen Lehrern an der High School gehörten auch Amerikaner, die Englisch unterrichteten und die ich manchmal bei Gruppenarbeiten unterstützen durfte. Das Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern in meiner Klasse war freundlich und ungewöhnlich eng, im Vergleich zu dem, was ich aus Deutschland kenne. So hatte ich zum Beispiel die Handynummern meiner Klassen- und Englischlehrer oder ging mit meinen Mitschülern und Lehrern gemeinsam Mittagessen.

Die Klassendynamik in meiner Klasse war unglaublich. Alle verstanden sich gut mit allen und ich wurde mit offenen Armen empfangen. Ich hatte kein Problem Anschluss zu finden und konnte mich mit Fragen immer an meine Mitschüler wenden. Zum Abschied ließ ich es mir nicht nehmen, ein Klassenfoto zu machen, auf dem aber leider nicht alle meine Mitschüler zu sehen sind.

Meine Gastfamilie war ungewöhnlich groß. Zu Hause waren wir zu acht, meine Gasteltern, mein großer Gastbruder und meine gleichaltrige Gastschwester. Da mein Gastbruder schon verheiratet war und zwei Kinder hatte, die ebenfalls alle bei uns wohnten, war es teilweise etwas eng zu Hause. 

Meine Gastfamilie kümmerte sich sehr um mich und unternahm viel mit mir. Am Nationalfeiertag fuhren wir zum Shaolin Tempel in der Nähe von Zhengzhou, guckten uns die Tempelanlage an und unternahmen eine Bergwanderung. Neben weiteren Ausflügen fuhren wir unter anderem nach Luoyang, um uns da die Grotten anzugucken. Die riesigen Buddhastatuen sind ziemlich beeindruckend und eine richtige Touristenattraktion.

Ich lernte auch meine Gastgroßeltern väterlicherseits kennen, die viel Zeit bei uns zu Hause verbrachten und sich darum bemühten, mir möglichst viele verschiedene Gerichte zu präsentieren.

Da fast die ganze Verwandtschaft meiner Gastfamilie in Zhengzhou lebte, gingen wir oft alle zusammen Mittagessen oder trafen uns bei einem Familienteil zu Hause. Tanten, Onkel, Nichten, Neffen und sogar meine Gastgroßeltern trafen aufeinander. Unter anderem fuhren wir zu meinen Großeltern mütterlicherseits, die in einer eher ländliche Region wohnen, und besuchten sie bei sich zu Hause.

Auch hier wurde eine neue Delikatesse ausprobiert, frisches Zuckerrohr, von meiner Gastmutter zubereitet.

Mit meiner Gastschwester, die mit mir in eine Klasse auf der High School ging, verbrachte ich viel Zeit. Sie hat mir viel von Zhengzhou gezeigt, was ich sonst nie entdeckt hätte und bezog mich ganz in ihren Alltag mit ein.

Neben meiner Gastfamilie verbrachte ich sehr viel Zeit mit meinen Freunden, meinen Mitschülern und anderen Austauschschülern.

Ich hatte großes Glück mit meiner Gastfamilie, meinem Betreuer, meinen Freunden, Mitschülern und den Menschen die ich in China getroffen und kennengelernt habe. Sie haben sich immer um mein Wohlbefinden gekümmert und hatten Geduld, wenn ich mal in das ein oder andere Fettnäpfchen trat. Dadurch war meine Zeit in China sehr vielseitig. Sie ist von positiven, lustigen, skurrilen, komischen, interessanten und manchmal auch unangenehmen Momentan geprägt. Selbstverständlich war nicht alles perfekt und jeder Tag wunderbar. Die ständige Aufmerksamkeit, die einem als Ausländer zuteil wird und das damit verbundene Starren ist auf Dauer unangenehm. Wenn man versucht, sein Chinesisch zu verbessern, aber nur auf Englisch geantortet wird, ist das frustrierend. Aber auch diese Erfahrung gehören zu einem Austausch dazu und prägen ihn ebenso wie all die positiven Dinge die man erlebt.

Alles in allem hatte ich eine wunderbare Zeit und kann es kaum erwarten, Zhengzhou mal wieder einen Besuch abzustatten.

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Wunderschöner Artikel! Made my day!

Guest

Danke! Freut mich, dass er dir gefallen hat!